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Nicht selbstverständlich: Bilder in lateinischen Lehrbüchern

Bilder in lateinischen Lehrbüchern

 
Schlägt man heute ein lateinisches Lehrbuch auf, so findet man darin – nicht anders als in den Lehrbüchern anderer Fächer - zahlreiche Illustrationen. Die meisten davon sind farbig, viele sind von einem Zeichner eigens für ein bestimmtes Lehrbuch angefertigt worden. Bei anderen handelt es sich um fotografische Reproduktionen von Schauplätzen, Monumenten, Kunstgegenständen und Realien aus der antiken Welt, oft aber auch aus der gesamten abendländischen Kunst- und Kulturgeschichte. Die Schüler, die diese Bücher benutzen, können sich vermutlich kaum vorstellen, dass die Lateinbücher ihrer Urgroßeltern reine Textausgaben waren und dass es Zeiten gab, in denen erbitterte Diskussionen darüber geführt wurden, ob ein Lateinbuch Abbildungen enthalten durfte oder nicht. Tatsächlich gab es ein Bilderverbot für wissenschaftliche Ausgaben, das sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt. Nur Worte können nach antikem Verständnis einen Sachverhalt wissenschaftlich exakt wiedergeben. Ein Maler galt als Handwerker, dessen mehr oder weniger gut gelungene Bilder für die Wissenschaft wertlos waren. Selbst in wissenschaftlichen Werken über Pflanzen oder Geburtshilfe verzichtete man deshalb auf Illustrationen. Nur Ausgaben für wissenschaftliche Laien oder Analphabeten durften aus naheliegenden Gründen bebildert sein. Dies führte dazu, dass es von manchen Werken zwei Versionen gab: eine unbebilderte für die Gelehrten und eine bebilderte für die große Menge der Ungelehrten. So gibt es z.B. von dem griechischen Arzt Soran eine 4-bändige Gynäkologie als reine Textausgabe. Daneben gibt es eine 2-bändige illustrierte Ausgabe für Hebammen. Auch Prachtausgaben  für politische und kirchliche Würdenträger waren illustriert, weil Bilder sehr teuer waren und den Wert eines Buches enorm steigern konnten.
 
Noch zu Beginn der Neuzeit kam es zu Differenzen zwischen Druckern, die sich von der Illustrierung einen besseren Absatz der von ihnen gedruckten Werke erhofften, und den Autoren, die durch die Aufnahme von Bildern die Wissenschaftlichkeit ihrer Schriften beeinträchtigt sahen. So hatte der Straßburger Drucker
Johann Grüninger
eine bei ihm 1524 erschienene Ptolemäusausgabe von
Willibald Pirckheimer
eigenmächtig mit Bildern versehen. Pirckheimer protestierte in einem Brief an Grüninger gegen die Abbildungen mit drastischen Worten:
‚‚Ich sehe wohl, dass ihr meint, wenn ihr nur viel Gaukelei und alter Weiber Fabel mit Kartenmal-Bildern in das Buch bringt, so habt ihr es wohl geschafft. … Das mag wohl sein unter Kindern und unverständigen Leuten, aber unter den Gelehrten würde ich mit samt von euch zu Spott und Schanden
.
‘‘
Das Geschehene war zwar nicht mehr rückgängig zu machen, aber der Autor setzte immerhin durch, dass seinem Werk ein Nachwort angefügt wurde, in dem er vermerkt, dass er sich nur für den Übersetzungstext verantwortlich fühle. Alles Übrige gehe auf Kosten des Druckers und sei mit Rücksicht auf den Buchhandel, der sich davon besseren Absatz verspreche, hinzugefügt worden.
 
Pirckheimer war Humanist und lehnte wie die meisten Humanisten Bilder in wissenschaftlichen Werken – und dazu zählten auch die lateinischen Lehrbücher – kategorisch ab. Erst
Jan Amos Comenius
(1592-1670) ersetzt in seinem 1658 erschienenen lateinischen Lehrbuch, dem
Orbis sensualium pictus
, den Wortunterricht des Humanismus durch einen realienbezogenen Sachunterricht, der von der Anschauung und der Erfahrung der Wirklichkeit ausgeht. Da es in vielen Fällen nicht möglich ist, dass sich die Schüler die Realien in Wirklichkeit ansehen, sind Bilder als Anschauungsmaterial zu verwenden. Sie sind also lediglich Ersatz für die nicht greifbaren Realien. Jedes lateinische Wort und jeder lateinische Satz ist ins Deutsche übersetzt und in einem Bild veranschaulicht.
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Aus dem Orbis pictus des Comenius
In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s entstand in Deutschland der
Neuhumanismus
, der die Antike wiederbeleben wollte. In ihm setzte sich die Überzeugung durch, dass der Gehalt der antiken Welt sich nur dem erschließt, der die antiken Texte in der Originalfassung studiert. Bilder sind dabei nur hinderlich, da sie die Realität nur vortäuschen. Diese Auffassung führte dazu, dass der Orbis pictus des Comenius aus dem Lateinunterricht der neugegründeten humanistischen Gymnasien verbannt wurde und nur noch reine Textausgaben zugelassen waren. Der Orbis wurde an den städtischen Schulen und Gymnasium weiterhin verwendet.
 
In der Folge führten Grammatikdrill und Unanschaulichkeit bei den Schülern zu Desinteresse und Langeweile. Man versuchte, die Schüler durch Einsatz von Anschauungsmaterial zu motivieren, das aber außerhalb der Lehrbücher bleiben musste. Erst der Berliner Lateinlehrer
Ludwig Gurlitt
nahm in seine Lateinfibel ganzseitige farbige Abbildungen auf, die er eigens von einem Maler für sein Buch anfertigen ließ. Obwohl sein Projekt am Widerstand seiner
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Abbildung aus Ludwig Gurlitt: Lateinische Fibel. Sexta, Berlin 1897
Kollegen an den humanistischen Gymnasien scheiterte, hat er entscheidend dazu beigetragen, dass seit 1913 Versuche mit bebilderten Lateinbüchern gemacht wurden. Rund 70 Jahre später gibt es in den in Deutschland erschienenen lateinischen Schulbüchern fast keine Textseite mehr ohne Abbildungen mit Motiven aus dem gesamten abendländischen Kulturkreis.
Weitere Details zu diesem Thema finden sich in:
Karl-Heinz v. Rothenburg
: Geschichte und Funktion von Abbildungen in lateinischen Lehrbüchern. Ein Beitrag zur Geschichte des textbezogenen Bildes. Prismata Band XVIII, Frankfurt Peter Lang 2009 ISBN 978-3-631-59751-4